Impfaktion

Ich hatte mit meiner Stellungnahme auf der Internetseite der Gemeinde Wachtberg versucht, die näheren Umstände aufzuklären. Heute muss ich erkennen, dass meine Stellungnahme nicht alle Aspekte, die Sie bewegen, abdeckt. Deshalb erlauben Sie mir, Ihnen die Ereignisse und meine Beweggründe zu meiner getroffenen Entscheidung, nochmals näher zu erläutern.
Die Impfaktion fand am Samstag, 02.01.2021, sechs Tage nach der Zulassung des ersten Impfstoffes, im CMS Altenstift Limbach statt. Das Seniorenpflegeheim ist das einzige in Wachtberg und wird privat geführt.
Eine wichtige Frage war immer wieder, warum die Gemeinde oder ich über den Impftermin nicht im Vorfeld unterrichtet gewesen wären. Tatsache ist, dass im Vorfeld keinerlei Informationen über die bevorstehende Impfung im CMS Altenstift Limbach an die Gemeinde erfolgt sind. Bei der Impfung in der privat geführten Seniorenpflegeeinrichtung gab es für die Kassenärztliche Vereinigung oder die Leitung des Pflegeheims keine Veranlassung, die Gemeinde einzubinden. Das Impfgeschehen liegt in der alleinigen Zuständigkeit der Impfteams der Kassenärztlichen Vereinigung. Wäre die Gemeinde Träger und Betreiber des Seniorenpflegeheims, wie dies in anderen Städten und Kommunen zum Teil gegeben ist, dann hätten auch wir selbstverständlich den Termin organisiert und wären in das Impfgeschehen involviert worden.
Ich hätte mir gewünscht, über den Impftermin und über die Möglichkeit überzähliger Impfdosen mit einem Vorlauf von ein paar Tagen unterrichtet worden zu sein. Denn dann wäre es möglich gewesen, Impfberechtigte der 1. Priorisierung zu finden und rechtzeitig über eine Impfmöglichkeit zu informieren. Die Meldedatei hätte ausgewertet werden können, die Telefonnummern (im Melderegister werden diese nicht erfasst) der ältesten Senioren*innen hätten ermittelt werden können und wir hätten diese Personen auf einen eventuell möglichen Impftermin telefonisch vorbereiten können. Sie werden vielleicht verstehen, dass so etwas nicht mit einem sehr kurzen Telefonat getan ist.
Viele Fragen bezogen sich auch auf die Anzahl der überzähligen Dosen und ab wann bekannt war, dass Impfdosen übrigbleiben würden und warum diese nicht zum Beispiel in ein Krankenhaus gebracht worden sind, um dort das Krankenhauspersonal zu impfen. Nach dem, was mir inzwischen bekannt wurde, hat sich offenbar erst kurz vor Impfbeginn - es war ein Samstag (02.01.2021) - herausgestellt, dass aus einer Ampulle statt 5 sogar 6 bis 7 Impfdosen gezogen werden konnten. Die Entscheidung, auch diese „zusätzlichen“ Dosen zu nutzen, lag einzig in der Zuständigkeit des Impfteams. Über diesen Umstand wurde ich erst unterrichtet, als der Verfall des Impfstoffs drohte. Mir wurde eine halbe Stunde Zeit eingeräumt, um noch Impfwillige heranzuziehen. Ein Transport des impffertig hergestellten Impfstoffs wird nach den Ausführungen der sogenannten „Gelben Liste“ nicht empfohlen. Also war es offenbar keine Option, den impffertig angerührten Impfstoff noch zu transportieren. Warum auch überzähliger Impfstoff impffertig angerührt wurde, kann ich leider nicht beurteilen, das war eine alleinige Entscheidung des Impfteams.
In dieser halben Stunde hatte ich, zudem an einem Samstag, keine Möglichkeiten, Impfberechtigte der 1. Priorisierung ausfindig zu machen und über die Möglichkeit einer Impfung zu informieren. Deshalb war für mich die einzig machbare Option, den Krisenstab, die Feuerwehr und die Einsatzkräfte des Ordnungsamtes der Gemeinde heranzuziehen. Dieser Personenkreis ist über installierte Meldewege sehr schnell zu erreichen. Keiner der Herangezogenen konnte wissen, ob noch Impfstoff zur Verfügung steht, wenn er oder sie vor Ort eintreffen würde. Mit der Information konnte nur eine Möglichkeit eröffnet werden.
Die Frage, warum die gegenüber liegende Seniorenwohnanlage nicht herangezogen wurde, kann ich leider nicht beantworten. Allein das Impfteam entscheidet vor Ort, wer geimpft wird. Da ich nur mit einer sehr kurzen Zeitvorgabe informiert wurde, musste ich davon ausgehen, dass das Impfteam alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat.
Bei dem von mir benachrichtigten Personenkreis ging es nicht mehr darum, ob mit dem Impfstoff noch Über-80-Jährige geimpft werden können oder ob es Personengruppen gibt, die vorrangig zu impfen sind, sondern einzig darum, sofort Impfwillige zu finden, um die drohende Vernichtung von Impfstoff zu vermeiden.
Es wurde nach meinem Wissensstand jedem ein Impfangebot gemacht, der zu dieser Zeit vor Ort war. Auch Personen, die nicht durch mich informiert wurden. So auch mir, meiner Frau und meinem Sohn, die mit mir im Auto saßen, als mich der Anruf des Beigeordneten Swen Christian über die überzähligen Impfdosen erreichte. Da wir unterwegs waren, bin ich erst später im Altenheim angekommen, um mich vor Ort über den aktuellen Stand der Dinge zu informieren. Wäre ein älterer Mensch vor Ort gewesen, dann hätte er selbstverständlich anstatt meiner Person geimpft werden können. Ich wäre gerne zurückgetreten. Es liegt der Vorwurf im Raum, ich hätte mich und meine Familie „vorgedrängelt“. Wenn ich das wirklich vorgehabt hätte, hätte ich auch meine Tochter noch von zu Hause dazu geholt.
Das ganze Szenario geht mir immer wieder durch den Kopf. Mit einer halben Stunde Vorlauf hatte ich an diesem Samstag, am späten Mittag, leider keine Chance, rechtzeitig weitere Impfberechtigte ausfindig zu machen und über die Möglichkeit einer Impfung zu informieren.
Als weiterer Punkt wird kritisiert, dass mein Bild bei der Aktion der Bürgermeister „wir lassen uns impfen, wenn wir dran sind“ abgebildet wurde, obwohl ich bereits geimpft war. Das einzige Ziel dieser Kampagne war zu dokumentieren, dass sich die Bürgermeister des Rhein-Sieg-Kreises impfen lassen, um generell zur Impfung aufzurufen und für die Impfung zu werben. Es war keine Erklärung, wer geimpft ist und wer nicht. Wie hätte es ausgesehen, wenn mein Bild dort gefehlt hätte? Es hätte sicher Fragen aufgeworfen.
In der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit, war für mich meine getroffene Entscheidung in diesem Augenblick die vernünftigste. Dass ich mit meiner Entscheidung bei vielen von Ihnen Verärgerung ausgelöst habe, tut mir sehr leid.
Ich hoffe sehr, dass ich ein wenig vermitteln konnte, in welcher Situation ich bei meiner Entscheidung steckte und die von mir letztendlich getroffene Entscheidung die einzige war, die sich mir in diesem kurzen Augenblick bot.
Mit besten Grüßen
Ihr Bürgermeister
Jörg Schmidt